Haushaltsrede im Dezember 2020

Euro Scheine hängen an einer Wäscheleine

Von Ehrenfried Barnet, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90 / Die Grünen

Liebe Anwesende, liebe Zuschauende zuhause am Bildschirm

Als ich mich hinsetzte, um diese Haushaltsrede zu schreiben, wollte ich wieder reflexhaft auf den Stil zurückgreifen, wie ich es die letzten vier Jahre praktiziert hatte und es in der Regel bei den meisten Haushaltsreden hier so Tradition war.

Dabei merkte ich schnell, dass ich eigentlich meine Worte aus diesen Jahren nahezu identisch wiederholen könnte, zumindest, was das Thema Sparen und Konsequenzen aus der finanziellen Situation betrifft.

Allein mir fehlt die Lust das zu tun und Freude bereitet es schon gar nicht!!!

Ich bin vor allem nicht daran interessiert die übliche Halbwertszeit einer Haushaltsrede von vielleicht zwei oder drei Wochen, so erlebte ich es bisher, beobachten zu können. (Zitat unseres Bürgermeisters: „wir müssen früher in die Gänge kommen“ – wobei er ja Recht hat, nur —).

„Weiter so wie bisher“ Das kann und wird es mit uns nicht geben.

Vielmehr müssen wir einen anderen Weg finden und einschlagen. Gerade diese schreckliche SARS-CoV-2 Pandemie, die uns nun bereits fast ein Jahr – und ich vermute noch lange in 2021 begleitet, verlangt einen neuen Blick auf das, was unsere Gesellschaft, was jede, jeder Einzelne von uns benötigt. Es gab und gibt ja nicht nur Einschränkungen durch dieses Virus, zumindest öffnete es uns die Augen für das, was so häufig mit „systemrelevant“ bezeichnet und manchmal bereits wieder vergessen wurde. Auch die Ruhe, die im Frühjahr 2020 durch weniger Verkehr auf den Straßen erlebbar war, der blaue Himmel ohne Kondensstreifen, bessere Luft, weniger Klimaverschmutzung, das sich „Bleib gesund wünschen“ – Geschehnisse, wie sie lange nicht, wenn überhaupt, in den zurückliegenden Jahren sich ereigneten.

Warum sage ich das hier und was hat das mit dem Haushalt 2021 in Schopfheim zu tun?

Ich denke eine ganze Menge: Ein Haushaltsplan mit der mittelfristigen Finanzplanung – meines Erachtens sollte die eher fünf statt drei Jahre umfassen (sicher nicht wegen der Chinesen) – legt fest wie und wohin sich eine Kommune gemäß ihrem Leitbild verändern möchte beziehungsweise soll. Er bildet letztlich die Grundlage einer Stadtentwicklung und der Lebensqualität in der Gemeinde. Dies muss in einem nachhaltigen Prozess geschehen am besten mit kompetenter Begleitung. Und dazu ist es eben nötig möglichst weit nach vorne zu schauen. Dies tut die aktuelle mittelfristige Finanzplanung nicht und ist deshalb von uns abzulehnen. Bei der Präsentation unseres Kämmerers, Thomas Spohn, vor zwei Wochen war für mich und für uns die vorletzte Seite die wichtigste. Ich zitiere:

Weiteres Vorgehen: Evaluation des Leitbildes einschließlich deren Ziele – Finanzausschuss wird im 1. Halbjahr Maßnahmenpakete dem Gemeinderat zur Entscheidung vorlegen.

Thomas Spohn

Wir müssen endlich uns darüber klar werden, in welcher Stadt wir wohnen wollen, wenn uns zum Beispiel wie eben in solchen Pandemiezeiten, aber auch darüber hinaus, klare Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, der materiellen Ressourcen, der Rücksichtnahme auf die Belastungen von Anderen (Gesundheit, Klima, Lärm etc.) vor Augen geführt werden.

Ich bin, glaube ich, auch kein Hellseher, wenn ich vermute, dass die Stadt, sprich wir, uns nicht unbegrenzt verschulden können. Und ich glaube auch, es ist nur eine Frage der Zeit bis wieder mehr Menschen nach Deutschland kommen, weil ihre Lebensbedingungen in Ihrem Heimatland kaum noch tragbar sind. Für sie, wie natürlich auch für die eigene Bevölkerung, gilt es bezahlbaren Wohnraum bereit zu halten beziehungsweise zu schaffen. Dies ist eine gesellschaftliche und für uns Grüne primär eine kommunale Aufgabe. Das setzt aber voraus, über die entsprechenden Flächen zu verfügen, eine Bevorratung zu schaffen und es nicht überwiegend den freien Trägern zu überlassen, solche aufzukaufen. Das Projekt im Eisweiher mit der Wohnbau Lörrach ist sicher ein gelungenes Beispiel. Mit dem Bau von Holzhäusern fördern wir neben dem Klima auch den Absatz eines eigenen, hiesigen Produktes, auch das sollte mehr in die Planvorgaben einbezogen werden. Daneben geht es aber auch darum, ein Konzept für Frei- und Spielflächen zu erarbeiten, um gerade eben das Lebenswerte in einer, unserer Stadt nicht aus den Augen zu verlieren. Die Flächen sind endlich, wir müssen in die Höhe gehen, aber auch sagen, wann Schluss ist mit Bebauung. Dass wir trotz vieler Neubauten, großem Flächenverbrauch eine geringere Einwohnerzahl als im Vorjahr haben, muss doch endlich zum Nachdenken geben, ob da nicht was schief läuft.

Ja es sind kreative Lösungen gefragt, wie in Zeiten knapper Kassen eine gute Kommunalpolitik gestaltet werden kann!!

Die Lösungen, die aktuell von der Verwaltung vorgeschlagen werden halten wir für nicht weitreichend genug. Darum können wir dem Haushalt in dieser Form nicht zustimmen. Es ist, gerade weil es in anderen Kommunen letztlich nicht besser aussieht, doch endlich auch an der Zeit, noch mehr an Kooperationen zu denken und zum Beispiel bei Maschinen für den Bauhof, Fahrzeuge für die Feuerwehr, bei den Flächennutzungsplänen – was soll, kann wohin – zusammenzuarbeiten. Schön, dass unser neuer Kulturmanager viel Wert auf Kooperationen legen will und Förderprogramme nutzen. Genauso erwarten wir von unserem neuen Technischen Beigeordneten Kreativität darin, möglichst kostengünstig in seinem Bereich zu arbeiten und Synergien aufzutun beziehungsweise zu nutzen, wo wir sie bisher vielleicht zu wenig oder aus alten Gewohnheiten gar nicht gesehen haben. Eine gute Sache wäre hier sicherlich schon mal die Attraktivitätssteigerung unserer schönen Altstadt in Schopfheim mit einer tollen Umnutzung der Johann-Peter-Hebelschule zum Beispiel durch die Ausarbeitung und Begleitung eines Ideenwettbewerbs.

Wir werden garantiert noch lange keine großen Würfe machen mit der Verbesserung unseres Ergebnishaushaltes – ohne Dinge zu streichen, die aber gerade in diesen und wahrscheinlich zukünftigen Zeiten völlig falsch wären wie kulturelle und Sporteinrichtungen. Oder ein anderes Beispiel das immer wieder mal auftaucht: unsere Ortsteile, die nicht nur unter dem Aspekt „was kann man dort verkaufen“ gesehen werden können, auch da muss über Entwicklungspotential nachgedacht werden. Nehmen wir nur die beiden Schlachthäuser. Reicht es nicht die Skandale auch in Baden Württemberg zusehen, um zu wissen, was gerade auch in Pandemiezeiten von Nöten ist: eine menschen- und tiergerechte Landwirtschaft, die das schafft, was wir zuallererst brauchen: gesunde Lebensmittel. Gerade waren Landwirte auch aus unserer Nachbarschaft bei den Demonstrationen für gerechtere Preis ihrer Erzeugnisse. Zusammen mit den Menschen, die uns in Krankheit und Alter heilen und Pflegen sind sie die „Systemrelevanten“!! Ja, wir müssen von den Schulden runter, aber nicht auf Kosten derer und dessen, was Lebensqualität ausmacht. Lasst uns also wirklich im Frühjahr 2021, am besten mit der Bevölkerung (Bürgerinitiativen, Elternbeiräten u. a.) zusammen, einen Versuch starten zu einer nachhaltigen Kommunalpolitik.

Wir bedanken uns bei den Menschen in der Verwaltung, in der Stadt und den Ortsteilen, dem Bauhof und den anderen Eigenbetrieben, den Vereinen, dem Stadtseniorenrat, dem Jugendparlament, den Kirchen, vor allem im Moment aber all denen im Krankenhaus und den Pflegeheimen. Wir danken den Frauen und Männern, die sich einfach ehrenamtlich für das Zusammenleben in Schopfheim engagieren. Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes Jahr 2021. Bleiben Sie gesund!